Ja, du hast richtig gelesen – wir brechen die Zelte ab, zumindest vorübergehend! Spulen wir etwas zurück für alle, die die Geschichte nicht kennen.
Am 8. Oktober 2018 verlobten wir uns in unserem Spanienurlaub. Dieser Tag veränderte unser Leben und der Stein kam zum ersten Mal richtig ins Rollen. Denn für uns war seit der Australienreise 2015 klar, dass wir zurückkehren möchten. Ohne grosse Worte darüber zu verlieren, war noch am Tag der Verlobung klar, dass wir unsere Flitterwochen in Australien verbringen möchten. Irgendwie ist ein Teil von uns dort hängen geblieben und wartet auf uns. Nach Australien geht man aber nicht nur für zwei Wochen, was schon die erste Hürde darstellte. Für eine Hochzeit im Sommer 2019 war die Zeit etwas knapp (wenn es nach Olivier gegangen wäre, hätten wir bereits im nächsten Monat geheiratet :-)) und zwei oder drei Monate Australien 2019 liessen sich nicht mit unseren Weiterbildungen vereinbaren, also planten wir auf den August 2020.
Dezember 2018: Es vergehen zwei Monate und wir sprechen viel über die Hochzeit und vor allem über die Flitterwochen. Es gibt viel zu tun, denn schliesslich hatte ich mich bisher noch nie damit auseinandergesetzt, was mir überhaupt gefallen würde. Ich ertappe mich dabei, wie ich merke, dass ich insgeheim gerne ein bisschen länger in Australien bleiben, würde ohne zu wissen, dass es Olivier auch so geht. Es bleibt zu diesem Zeitpunkt aber noch unausgesprochen, denn das würde bedeuten, dass wir die Wohnung untervermieten und allenfalls unsere Jobs aufgeben müssten. Beides kommt nicht in Frage und schliesslich haben wir noch zwei Katzen, von denen wir auf keinen Fall länger als zwei oder drei Monate getrennt sein möchten. Ich schiebe den Gedanken beiseite und erneut vergehen ein paar Wochen.
In diesen Wochen schaue ich mir verschiedene Länder an, die man bereisen könnte und irgendwie gibt es noch so viel, was ich gerne sehen würde. Ich werde gepackt von der Reiselust und alles sieht toll aus, so dass ich gar nicht mehr weiss, wo ich denn als erstes hinmöchte. Schliesslich frage ich mich, warum eigentlich nur vier Monate? Wir haben das beste Alter für eine längere Reise und sind bis auf die üblichen Verpflichtungen und die Katzen nicht gebunden.
Ich kann euch nicht mehr sagen, was mit mir passierte, aber ich fuhr eines Tages nach Hause, lief zur Tür herein und überrumpelte Oli in der Küche mit meiner Idee von einer sechs bis achtmonatigen Reise. Somit hätten wir noch genügend Zeit für ein paar andere Länder. Seine Antwort war eigentlich keine Antwort. Er lachte, schaute gleichzeitig ziemlich schockiert und dann sagte er ganz langsam: DAS IST VERRÜCKT! Ja es ist verrückt, wir sind mitten im Berufsleben, haben uns gerade alles aufgebaut für eine gemeinsame Zukunft und nun soll es weit weg von zu Hause gehen? Ich konnte es selber nicht glauben und es hat mich so viel Mut gekostet, diesen Gedanken, der schon lange in mir schlummerte, endlich zuzulassen und auszusprechen. Ich wusste, wenn nicht jetzt, dann werde ich den Mut nicht nochmals aufbringen können für so viel Veränderung. Klingt ganz schön dramatisch was? Andere packen heute und gehen morgen. So bin ich nicht, ich plane gerne und schlafe lieber zwei oder drei Mal über eine Entscheidung. Entscheiden im Allgemeinen ist eigentlich nicht meine Lieblingstätigkeit – zumindest nicht privat. So jetzt ist es raus und was jetzt? Wie weiter?!
Ein paar Tage später kommt Oli auf mich zu und sagt unverhofft, dass er gerne zusammen mit mir verrückt sein würde, und es stellt sich heraus, dass wir beide davon träumten, es aber nie wirklich eine Option war, so lange wegzugehen, weil wir verantwortungsvoll sein wollten, uns auf die Karriere fokussieren und den gesellschaftlichen Erwartungen standhalten wollten. Der "normale" Ablauf eben. Erst später wird uns klar, dass wir das eigentlich gar nicht wollen und es im Prinzip ganz einfach ist und überhaupt nicht so kompliziert wie man denkt. Der Anfang ist immer am schwersten, egal um welches Thema es sich handelt. Anfangs war es für uns nämlich ähnlich, wie bei anderen mit dem Kinder kriegen – der Zeitpunkt ist so gut wie nie passend und es gibt immer gute Gründe, weshalb man es nicht machen oder auf später verschieben sollte. Aus später wird dann leider nicht selten nie, wie wir schon oft gehört haben.
Unsere Australien- und Thailandreise war übrigens aus einem doofen Witz entstanden. Drei Monate später sassen wir im Flieger und es war die beste Entscheidung unseres Lebens und der Anfang von hoffentlich noch vielen Abenteuern.
So, da standen wir nun – mit dem plötzlichen, unerwarteten und furchtbar präsenten Wunsch auf eine lange Reise zu gehen und uns in neue Abenteuer zu stürzen. Es ist schwierig, diese Gefühle kurz und knackig zu beschreiben, aber von heute auf morgen hat sich ganz viel verändert. Plötzlich stellt man alles in Frage. Man merkt, wie ungesund der gesellschaftliche Druck ist, fühlt sich einem nicht selbstbestimmten System verfallen wo die Work-Life-Balance nie stimmen kann und möchte nicht mit dem Strom schwimmen. Man möchte mehr von den Menschen und dieser Erde sehen und kennenlernen. Einige gehen Reisen um zu fliehen, schlechte Erfahrungen zu verarbeiten und sich selbst zu finden, andere haben einfach pure Abenteuerlust. Schätze, bei mir war es eine Kombination aus allem und bei Oli die pure Abenteuerlust.
Unsere acht Monate standen also fest. Mein Arbeitgeber war auch sehr kulant und versuchte, eine Lösung zu finden mit mir. Schlussendlich klappte es aber doch nicht und wir beschlossen, dass ich meine Arbeitsstelle aufgebe. Die Wohnung untervermieten war irgendwie ein komischer Gedanke und wir wollten uns nicht vom Ausland darum kümmern müssen, wenn etwas nicht klappte oder der Mietzins nicht beglichen würde. Auch wollten wir UNSER Zuhause nicht teilen. Insgeheim wusste ich also, wie es ausgehen würde, auch wenn Oli es lange nicht aussprechen wollte. Inzwischen waren Monate vergangen und wir konnten es kaum erwarten, nach so langer Zeit endlich Mann & Frau zu werden und als Ehepaar gemeinsam in dieses Abenteuer zu starten. Die Vorstellung war unglaublich toll, es war alles so spannend. Ganz so lange durfte die Vorfreude dann doch nicht anhalten, denn dann kam Corona ins Spiel...
Als wäre es nicht schon kompliziert und aufregend genug, eine Hochzeit und eine Reise mit Abbruch aller Zelte zu planen, kommt da noch etwas Unsichtbares auf uns zu, was uns nicht gefällt. Da dachten wir, und du bestimmt auch, dass so etwas nicht möglich ist. Lange glaubten wir nicht an das Virus, oder zumindest nicht daran, dass es sich in der ganzen Welt ausbreiten würde. Und dann war es plötzlich da und absolut nicht greifbar. Komplett neue Situationen, Ängste und Ungewissheit. Hätte ich mir denken können, dass es nicht einfach ohne Hürden geht, denn darin bin ich besonders gut. Steine, die einem in den Weg gelegt werden entfernen – das kann ich. Obwohl planen ein fester Bestandteil meines Ich's ist, läuft selten etwas nach Plan und es kommt immer anders. So war es übrigens auch vor der Reise, was mich noch mehr motivierte, in die Welt hinauszugehen. Den Kopf in den Sand stecken kommt aber für Oli nicht in Frage. Es kommt schon irgendwie gut – so sein Motto, das uns noch immer geholfen hat!
Wie es mit Corona weiterging, wisst ihr alle, also überspringen wir diesen Teil. Unser Hochzeitsfest mussten wir schweren Herzens absagen. Das nagte ganz schön an uns, so lange haben wir darauf gewartet und uns gefreut. Die standesamtliche Hochzeit zu verschieben kam aber auf keinen Fall in Frage und so gaben wir uns am 8. August 2020 endlich das JA-Wort. Auf etwas Schönes folgt...? Richtig geraten! Die Flitterwochen mussten verschoben werden, da Reisen zu diesem Zeitpunkt für uns sowohl unmöglich als auch unpassend schien.
Als wir uns eingestehen mussten, dass es nichts mehr wird mit dem geplanten Start im Oktober 2020, brach eine kleine Welt zusammen. All diese Glücksgefühle, die Vorfreude, das mehr vom Leben wollen, das Loswerden der Altlasten und endgültige Verabschieden einiger schmerzlicher Ereignisse, all das sollte nun nicht umsetzbar sein. Wir haben die letzten zwei Jahre auf einiges verzichtet und nochmals alles gegeben, um für längere Zeit finanziell unabhängig sein zu können. Mein Auto hatten wir zu diesem Zeitpunkt übrigens auch schon verkauft (zum perfekten Zeitpunkt wie sich später herausstellte).
Wir rappelten uns auf und waren dankbar, dass alle die wir kannten gesund waren. Man schaute füreinander und die Reise- und Hochzeitspläne rückten etwas in den Hintergrund. Oft verliess mich der Mut und ich sagte mir, dass es vielleicht nicht sein soll (meiner Meinung nach hat alles einen Grund, auch wenn man ihn erst im Nachhinein kennt!). Dieser unsichtbare Feind schien sich auf dieser Welt wohlzufühlen und auch wenn wir immer versuchten, die positiven Dinge daran zu sehen (Umwelt zum Beispiel), fiel es uns nicht leicht. Von immer wieder denselben Leuten wurde uns gesagt, dass es noch lange nicht möglich sein wird und wir uns doch wieder Jobs suchen und die Sache auf später verschieben sollten. Die eine Konstante in unserem Leben gab es, die uns immer und immer wieder Mut machte. Ich glaube, sie hat manchmal selbst daran gezweifelt, es uns gegenüber aber nie gezeigt. Sie wollte das Unmögliche für uns möglich machen und das hat uns in unserer Entscheidung bestärkt. An dieser Stelle danken wir dir von Herzen dafür (wer gemeint ist, wird es wissen), du warst uns eine grosse Stütze! Denn die negativen Stimmen sind immer lauter als die positiven, haben aber durchaus ebenfalls ihren positiven Beitrag zu unserer Entscheidung geleistet.
Einige denken jetzt vielleicht, das ist ja nur eine Reise warum so viel Drama? Für uns ist es aber eben DIE REISE. Ein Zuhause ist ein geschützter Bereich und Rückzugsort, der Job sichert das Einkommen und man verbringt fast den ganzen Tag bei der Arbeit, wo man mehrheitlich durch seine Leistungen und Kenntnisse definiert wird. Was, wenn diese zwei grossen Bereiche im Leben miteinander wegfallen? Ich würde sagen, das ist eine ziemlich grosse Veränderung. Natürlich gibt es viele traurige Covid-Schicksale, aber darum geht es hier ja nicht.
Für manche wäre diese Veränderung sehr einschneidend – für uns auch, aber im guten Sinne. Sie war nämlich sowas von gewollt. Warum also nicht noch mehr Veränderung, wenn wir schon dabei sind? So eine Situation wie jetzt werden wir nicht mehr so schnell bekommen. Und so kündigte Oli ebenfalls seinen Job und aus den geplanten acht Monaten wurde Open-End. Egal wie lange sie dauert, solange es Spass macht und sich richtig anfühlt, entdecken wir die Welt und fiebern neuen Abenteuern und spannenden Menschen und Kulturen entgegen.
Das Jahr 2020 war für uns übrigens trotz Covid-19 von vielen schönen Ereignissen geprägt und hat uns, vor allem aber mich, dank der Pandemie einiges gelehrt und uns noch mehr bestärkt in unseren Vorhaben. Auf uns zu hören und zu machen was sich für UNS richtig anfühlt, nicht was einfacher ist oder für andere besser ist. Ohne Corona wäre aus unseren anfänglich geplanten drei Monaten wohl keine Open-End-Reise geworden. Tägliche Fragen von unseren Familien und Freunden, wann wir denn nun los reisen würden, wohin und wie lange, konnten wir bis kurz vor Abreise übrigens nicht beantworten. Täglich haben wir das Weltgeschehen verfolgt und uns über sämtliche Länder im Zusammenhang mit Covid-19 informiert und sorgfältig die Fakten gecheckt. Einfacher gesagt als getan, denn alles konnte morgen bereits wieder anders sein.
Einen Monat vorher wagten wir es, einen Flug zu buchen. Am 5. April 2021 sollte unser Traum Wirklichkeit werden uns unser Abenteuer starten! Egal wie es kommt, wir wissen jetzt schon, dass sich alles gelohnt hat und spontan eigentlich ganz cool ist! Ab Sekunde eins und lange vor Abflug war es ein Abenteuer und jedes Hoch und Tief wert.
Ach ja, und wer denkt, dass auch wir irgendwann wieder in den Alltag zurück müssen, der hat absolut Recht und das wissen wir :-)! Wir vertrauen darauf, dass alles gut kommt und geniessen das HIER & JETZT, bevor wir uns irgendwann wieder um Jobs, Wohnung etc. kümmern müssen!
Halte an deinen Zielen fest und sei mutig♥
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