Eine knappe Stunde ausserhalb von Costa Rica's Hauptstadt San José in der Provinz Cartago liegt das Sanatorio Durán, eine verlassene Heilstätte für Tuberkulosekranke. Das im Jahr 1918 vom Arzt Carlos Durán Cartín gegründete Sanatorium wurde Mitte der 50er-Jahre entbehrlich, als bessere Behandlungsmethoden gegen Tuberkulose entwickelt wurden und die Erkrankten in den umliegenden Krankenhäusern behandelt werden konnten. Ab 1963 diente die Einrichtung nicht mehr als Sanatorium, in den nachfolgenden zehn Jahren wurden die Gebäude jedoch noch als Waisenhaus und als Gefängnis genutzt. Seit der endgültigen Schliessung um 1972/73 stehen sie vollkommen leer und wurden dem Verfall überlassen.
Heute ist der Gebäudekomplex ein sogenannter “Lost Place”, der sowohl Touristen aus aller Welt, als auch Einheimische anzieht. Um den Ort ranken sich urbane Legenden und Gruselgeschichten, was nicht weiter verwunderlich ist, wenn man seine Geschichte kennt. Krankheit, Tragödien, Leid und Tod waren schon immer ein idealer Nährboden für solche Erzählungen. Immer wieder hört man Berichte von Geisternonnen oder Mönchen, die angeblich dabei gesehen wurden, wie sie durch die leeren Gänge des Sanatoriums wandelten. Auch über die Erscheinung eines kleinen Mädchens wird oft gesprochen. Vor einigen Jahren untersuchte ein Team im Rahmen der TV-Show Ghost Hunters International die Phänomene, die im Sanatorio Durán angeblich beobachtet worden waren. Sie kamen zum Schluss, dass es an diesem Ort in der Tat spukt, obwohl die Beweise dafür meiner Meinung nach etwas dürftig waren.
Von Annina's Idee, das Sanatorium zu besuchen, war ich anfangs nicht begeistert. Ich empfinde eine gewisse Abneigung gegenüber allem, was übernatürlich ist. Blutrünstige Horrorfilme machen mir nichts aus, “Paranormal Activity” hingegen ist schon zu viel für mich. Am Ende liess ich mich aber doch zum Sanatorium überreden, denn ich wollte ja kein Hasenfuss sein.
Mit unserem Mietwagen fuhren wir von San José nach Cartago, das eine knappe Stunde entfernt liegt. Als wir ankamen, merkten wir, dass es hier wesentlich kühler war, als in San José. Ich hätte wohl besser eine Jacke mitgebracht! Das Sanatorium steht in einer Höhe von mehr als 2’300 Metern über Meer, was den Temperaturunterschied erklären würde. Es war recht neblig, was den Ort nur noch mystischer und unheimlicher machte. Für die Nachwelt zeichnete ich noch einen kleinen Vlog auf, falls mich die Geister holen würden. Dann begaben wir uns zum Eingang. Der Eintritt kostete uns 1’500 Colones pro Person, das sind ca. 2.20 in Schweizer Franken. Das Fotografieren wurde uns erlaubt, die Aufnahme von Videos jedoch nicht.
Schon von aussen wirkte die Ansammlung von Gebäuden recht eindrücklich. Ich weiss nicht genau, wozu all die verschiedenen Bauten dienten, aber es gab einige Hauptgebäude, die trotz des Verfalls eine gewisse Würde ausstrahlten. Dann standen da noch mehrere Nebengebäude, die lediglich graue Betonbunker waren, sowie eine Kirche. Auf dem gepflegten Rasen war vor Jahrzehnten ein Kinderspielplatz angelegt worden, dem man sein Alter deutlich ansah. Die vermoderten Schaukeln und verrosteten Klettergerüste wirkten ziemlich schaurig – wie direkt aus einem Horrorfilm. Auch ein altes Auto, von dem nicht viel mehr als die löchrige Karosserie übrig geblieben war, gab es zu sehen. Die Holzfassaden der ehemals schönen Gebäude waren verwittert und überall fehlten Fensterscheiben. Vor einigen der Häuser warnten Schilder ausdrücklich davor, sie zu betreten – wahrscheinlich wegen Einsturzgefahr. Um dieser Warnung noch mehr Nachdruck zu verleihen, war teilweise auch Stacheldraht angebracht worden.
Die Gebäude, die man betreten konnte, waren von innen noch unheimlicher als von aussen. Es überkam mich jetzt kein unangenehmes Gefühl oder so, aber die Location hatte definitiv eine gewisse Wirkung. Die Bauten waren erstaunlich weitläufig und es gab eine Menge verschiedener Räume und Gänge. Teilweise liess sich gut erkennen, wofür sie früher genutzt wurden, wie zum Beispiel bei den Badezimmern und Duschen. Die verschiedenen Gebäudeflügel und Bereiche waren zudem beschriftet. „Pabellon de Niños“ (Kinderhaus), „Azotea“ (Dachterrasse) oder „Casa de Medicos“ (Ärztehaus) verkündeten die Schilder über den Türen. Ich muss zugeben, die Stimmung an diesem Ort war sehr speziell. Nicht traurig oder erdrückend, sondern vielmehr friedlich und ruhig. Es fühlte sich richtig verlassen an und ich spürte, dass die Geschichte, die hier stattgefunden hatte, vor langer Zeit abgeschlossen worden war. Als wir im Kinderflügel die mit Farbe gemachten Handabdrücke der Kinder an der Wand sahen, wurde uns aber schon leicht mulmig.
Ein Teil eines Traktes war mit einer Stahlplatte versiegelt worden, weswegen wir ihn nur von aussen betrachten konnten. Durch die Fenster sahen wir zu unserer Überraschung Vorhänge und sogar Betten. Weshalb die dort waren, konnten wir uns nicht erklären, denn alle anderen Räume des Sanatoriums waren absolut leer. Später haben wir dazu noch recherchiert, konnten aber nicht herausfinden, was genau in diesem Raum ist oder wofür er genutzt wird. Wir erkundeten die Anlage ungefähr zwei Stunden lang und machten eine Menge Fotos und, trotz des Verbots, auch Videos. Was uns allerdings etwas störte, waren die zahlreichen Graffiti und die Kritzeleien an den Wänden, die definitiv in jüngerer Zeit entstanden waren. Das Sanatorium ist ja keine Kirche oder so, aber ein bisschen mehr Respekt vor der Geschichte wäre trotzdem angebracht gewesen.
Als wir die Anlage wieder verliessen, hatte sich der Nebel etwas verzogen und ich war froh, dass mich die Geister in Ruhe gelassen hatten.
Unser Fazit: Dieser Ausflug zu unserem ersten “Lost Place” hat sich auf jeden Fall gelohnt und wir können ihn definitiv empfehlen! Obwohl wir nichts Paranormales beobachten konnten, waren die Energien teilweise doch sehr aussergewöhnlich. In der Nacht wollen wir uns hier garantiert nicht aufhalten!
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